In einem durchschnittlichen Jahr werden in Italien 1.012.000 t Trauben geerntet – nach Äpfeln sind Trauben für das Belpaese weiterhin das wichtigste Exportprodukt. Stolze 94 % werden allein in Sizilien und Apulien angebaut; aus letzterer stammten 2022 58 % der italienischen Produktion.

Doch in den vergangenen Jahr(zehnten) hat die Branche manche Entwicklungen verschlafen, wie mehrere Vortragende anlässlich der Abschlusskonferenz von “Regina di Puglia” Ende Juli im apulischen Noicàttaro bestätigten. Nun haben deutliche Wecker, mitunter vielleicht sogar Alarmglocken geschrillt: Die Branche erwacht, wie auf dem viertägigen Event deutlich wurde, das übersetzt “Königin Apuliens” heißen würde, denn das soll die Traube auch in den nächsten Jahr(zehnt)en bleiben. Während der Veranstaltung diskutierten lokale Erzeuger und Experten gemeinsam mit internationalen Einkäufern und Journalisten über Herausforderungen und Entwicklungen. Denn die gibt es, wie Vito Fraschini stolz aufzeigte. Er ist Stadtrat für Landwirtschaft der Gemeinde Noicàttaro und weiß, wovon er spricht: Neben seiner politischen Rolle ist er selbst Traubenproduzent. „In den letzten Jahren hat sich hier einiges geändert“, erklärte er.

Vito Fraschini

Vito Fraschini erklärte den Teilnehmenden die Aufgabe der kleinen Kunststoff-Schlaufen: Sie sorgen für sexuelle Verwirrung der Schädlinge - und das erfolgreich.

Fortschritte im Anbau

Und zeigte den Teilnehmenden direkt Live-Beispiele: Mikrobewässerung in jüngeren Plantagen sorgt für Wassereinsparungen von bis zu 40 %; Verwirrungstechniken helfen, auch ohne Pflanzenschutzmittel Schädlingen Einhalt zu gebieten, und neue Anbautechniken lassen die Trauben höher hängen, was nicht nur die Ernte erleichtert, sondern auch Krankheiten der Pflanzen deutlich reduziert. So sei es auch möglich geworden, rückstandsfrei zu produzieren, um nicht nur schöne, sondern auch sichere Früchte zu erhalten, betonte Fraschini. Dass auch technologisch schon einiges getan wurde, bekamen die Regina di Puglia-Teilnehmer ebenfalls aus nächster Nähe zu sehen. Dazu gehörten modernere Verpackungslinien – „eine dieser neuen Linien entspricht 2,5 alten“, erklärte Fraschini – oder Kühltunnel, die innerhalb von nur sechs Stunden von 25°C - 28°C auf 4°C herunterkühlen. „Das hätte früher 24 oder sogar 48 Stunden gedauert“, lieferte Fraschini Details. 

Neue Sorten sorgen für internationales Interesse

Entwicklungen gibt es auch bei der Sortenerneuerung: „Innerhalb von nur 15 Jahren sind wir in Italien von 5 Trauben-Varietäten auf 130 gewachsen. Der Trend geht dabei auch in Apulien zu kernlosen Früchten: „Hatten kernlose Trauben noch vor fünf Jahren einen Anteil von 30 %, so hat sich das komplett gewandelt: Mittlerweile werden in Apulien 70 % kernlose Trauben produziert, nur noch 30 % sind traditionelle Sorten mit Kernen.“ Einen Knackpunkt hat der Trend allerdings: „Bisher gibt es noch keine kernlose Sorte, die sowohl bei Geschmack als auch bei der Qualität so durchgehend überzeugt, wie es z.B. die Varietät „Italia“ von August bis Dezember schafft”, so Fraschini. Man arbeite mit Hochdruck daran - auch, um endlich mehr kernlose Sorten italienischen Ursprungs anzubieten. Dazu gehört jetzt schon u.a. „Maula“, eine von insgesamt 36 neuen, in Italien entwickelten Varietäten. „Maula“ wurde vergangenes Jahr vorgestellt und kam nun zum ersten Mal mit größeren Mengen auf den Markt. Diese Innovationen kommen bei den internationalen Gästen gut an: „Ich freue mich, dass Apuliens Produzenten so viel Engagement zeigen“, bewertete Aisté Razimiené, Einkäuferin aus Litauen; die italienischen Sorteninnovationen seien wirklich ein Schritt nach vorn, befand sie. Auch für die chinesische Delegation, die vermutlich die weiteste Anreise zum Event hatten, waren die neuen Varietäten von besonderem Interesse. Zwar ist ein Abkommen zwischen Italien und China, wie es jüngst für den Export italienischer Birnen geschlossen wurde, (noch) nicht auf dem Tisch. Doch innovative apulische Sorten für den Anbau in China zu importieren, das sei durchaus eine Option, so der Kommentar.

Zahlen und Zukunftspläne

Die neue, kernlose Traubensorte

Die neue, kernlose Traubensorte “Maula” fand großes Interesse bei den internationalen Einkäufern.

Sehr interessiert aufgenommen wurde der Vortrag von Mario Scanio (Ismea), der nicht nur einen faktischen Einblick in den Status quo der Traubenproduktion in Apulien gab, sondern auch mögliche Wege für die Zukunft skizzierte, darunter die Erschließung neuer Märkte. Aktuell gehen 46 % der italienischen Tafeltrauben in den Export, 34 % werden in Italien verzehrt, weitere 15 % verarbeitet. Der wichtigste Exportmarkt ist weiterhin Deutschland, doch für Scanio werden diese 31 % zukünftig eher sinken als steigen. Weltweit hat Deutschland einen Anteil von 7 % der globalen Traubenimporte, Großbritannien liegt bei 6 %, ist wiederum nur für 4 % der italienischen Trauben das Ziel. Genau diese Märkte wolle man in Zukunft stärker im Fokus haben: Dort, wo Trauben importiert würden, die aktuell noch nicht aus Italien stammten. 87 % italienische Trauben bleiben in der EU, und von den verbleibenden 13 % für Außer-EU-Märkte sind nur noch 2,3 % übrig, wenn man Großbritannien und die Schweiz herausrechnet, ging Scanio ins Detail. „Bei Äpfeln und Kiwis ist es uns doch bereits gelungen“, betonte er. Denn mit den Exportmärkten komme auch Wachstum: Insgesamt könne der Umsatz in den nächsten fünf Jahren so um 60 % von 738,177 Mio Euro auf 1,2 Mrd Euro wachsen, die durchschnittlichen Preise auf 2,10 € pro Kilo (+30 % gegenüber 2022), die Mengen um 20 % auf von 452.055 t auf 540.000 t steigen. Könnten, wohlgemerkt. Damit diese Zahlen Realität werden, gilt es, proaktiv und gemeinsam zu arbeiten, die Märkte genau zu studieren und „jedem Land das anzubieten, was in diesem Land gewünscht wird“. Dazu gehöre ebenfalls, die Konsumenten weiter aufzuklären, ihnen mehr über die Produktion, aber auch das Gebiet selbst zu erzählen.

Traditionen als Vermarktungsplus

Einen ersten Eindruck wurde bei Regina di Puglia vermittelt: Dort stand für die Teilnehmer neben der reinen Produktion auch kulturelle Teilhabe an der Region und ihren vielfältigen Traditionen auf der Tagesordnung, sei es bei einem Theaterstück oder dem Besuch der jährlichen Feierlichkeiten zu Ehren der Stadtpatronin. Denn ohne die Geschichte des Gebietes, ohne zu wissen, wie viel Hingabe die Produzenten in die tagtägliche Arbeit stecken, bleiben die Trauben oft eine Comodity. Eine Meinung, die Lorenzo Frassoldati, Direktor des Fachmagazins Corriere Ortofrutticolo, teilte: Wie beim Wein müsse man auch bei Trauben die Geschichte dazu in den Vordergrund rücken. Über QR-Codes etwa könne man die Konsumenten informieren, oder auch über Besuche vor Ort: “Selbst aus Deutschland oder Slowenien konnten wir schon interessierte Verbraucher bei uns begrüßen”, berichtete Francesca Lonigro und betonte den Qualitätsvorteil der Region- insgesamt: „Wir alle hier können gute Trauben produzieren.“

Frisch geerntete Vittoria-Trauben in Apulien | Regina di Puglia

Frisch geerntete Vittoria-Trauben in Apulien | Regina di Puglia

Gemeinsam weiter

Kräfte vereinen – eines der Schlagwörter während Regina di Puglia. „Nur gemeinsam kommen wir weiter, als eine Branche, mit eigenen italienischen Traubensorten. So können wir langfristig Erfolg haben“, pflichtete der für den Vertrieb verantwortliche Alvaro Schena von Fra.Va. Srl bei. Bekundungen, die auch die Abschlusskonferenz des viertätigen Events begleiteten: Dort unterzeichneten acht Gemeinden eine Absichtserklärung, ein Netzwerk der lokalen Traubenproduktion aufbauen zu wollen. Damit sollen Synergien entstehen und die Trauben als solches wieder mehr Wert erhalten. Das sei natürlich auch auf nationaler Ebene wünschenswert, wie zahlreiche Stimmen auf der Konferenz vergangenen Mittwoch betonten. Etwa durch die 2020 gegründete italienische Tafeltrauben-Kommission CUT (Commmissione Uva da Tavola), die „für Trauben das sein könnte, was Assomela [die Vereinigung der italienischen Apfelproduzenten, Anm. d. Red.] für Äpfel ist“, betonte CUT-Vertreter Donato Fanelli und fand reichlich Zuspruch. „Man geht nicht alleine in ein Land wie China. Dafür braucht es ein Netzwerk”, stellte er fest, aber auch, dass dabei einiges zu tun bleibt: „Wir müssen wieder lernen, wie man lernt, zusammenzuarbeiten.” Es bleibt abzuwarten, ob die Branche ein “vereine und herrsche” als Gegenstück zum wettbewerbsgetriebenen “divide et impera” findet, so dass sich Italiens Trauben landesweit auch in Zukunft den Thron der internationalen Produktion sichern können.

Den vollständigen Artikel zur Veranstaltung finden Sie in unserer bereits erschienenen Doppelausgabe #30/31.