Nachhaltiger leben, nachhaltiger wirtschaften, nachhaltiger konsumieren – dies alles ist vor dem Hintergrund des sich immer schneller vollziehenden globalen Klimawandels alternativlos. Laut der Weltwetterorganisation WMO lag die Durchschnittstemperatur im Zeitraum von 2011 bis 2020 weltweit um 1,1 °C über den Werten des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Was sich zunächst wenig anhören mag, hat enorme Auswirkungen auf alle Lebenszusammenhänge. Die beschleunigte Eisschmelze und der Anstieg des Meeresspiegels können, nein, werden aus Sicht von Experten das Leben von Abermillionen Menschen von Grund auf verändern. Nicht nur von jenen, die gezwungen sind, ihren Lebensraum zu verlassen, sondern auch von denen, die sie aufnehmen müssen. Selbst wenn wir die Emission von Treibhausgasen drastisch reduzieren und die Eisschmelze an den Polen dadurch verlangsamen, werden die Meeresspiegel noch über Jahrhunderte ansteigen. Nicht nur die Menschen sind träge, das Klimasystem ist es auch. Aber wir alle wissen längst, dass wir nicht diese 50 oder 100 Jahre warten müssen, um die Konsequenzen zu spüren. Zu spüren bekommen es auch schon die Obstbauern, vor allem die Apfelerzeuger, die nicht nur häufiger als früher mit Hitzesommern und Trockenheit bzw. mit Starkregen und Hagel, sondern auch mit einer verfrühten Apfelblüte zu kämpfen haben. Auch in Nordrhein-Westfalen, wo sich wie in weiten Teilen Deutschlands eine Verschiebung vom Mai in den April zeigt. Gemäß den LANUV-Klimadaten für NRW lag der Beginn der Apfelblüte hier im 30-jährigen Mittel der Jahre 1991 bis 2020 um elf Tage früher als im Mittel der Jahre 1951 bis 1980. Die zuverlässig auf den Klimawandel zurückführbare frühe Blüte birgt hohe wirtschaftliche Risiken. Allein die Aprilfröste haben kürzlich laut Vereinigte Hagel in Deutschland bei Obst und Reben Schäden von 500 Mio Euro verursacht, vor allem der Osten des Landes war stark betroffen.
Das wärmere Klima hat auch dazu geführt, dass mehr Schaderreger auftreten. Ausbleibende Zulassungen und die Reduzierung von Wirkstoffen im Pflanzenschutz erschweren die Situation für die Obstbetriebe zusätzlich und machen zunehmende Resistenzen fast unvermeidlich. Und wir wissen ja noch gar nicht, was der Sommer bringt und was bei anderen Kulturen möglicherweise geschieht. Der Obstbau leidet selbst massiv am Klimawandel, aber ebenso an einem politischen Umfeld, das lieber wählerwirksame Nachhaltigkeitsparolen ausgibt, als sich sachlich mit der Situation zu beschäftigen.
Was die Politik wohl immer noch nicht wahrhaben will: der Anbau von Obst in Deutschland ist zum einen an vielen Orten und bei vielen Produkten gefährdet, was nebenbei bemerkt auch für den Gemüsebereich gilt, wo ebenfalls eine Wirkstofflücke klafft und zusätzlich die Stoffstrombilanz Kopfschmerzen bereitet. Und zum anderen ist der Integrierte Anbau von Obst und Gemüse schon immer sehr viel nachhaltiger gewesen, als dies häufig dargestellt wird. Dies alles mündet in der Forderung: Nachhaltigkeit muss definitiv sein, aber sie muss auch praktikabel sein. Und in Richtung LEH und Konsumenten sei gesagt: sie kann es nicht ohne einen entsprechenden Preis geben, will sie nicht als Heuchelei enttarnt werden. Nachhaltigkeit gibt es eben nicht zum Nulltarif.
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