Apps, Künstliche Intelligenz - welche strategische Bedeutung haben neue Technologien für den Einzelhandel? Darüber hat sich Raffaella Quadretti von myfruit mit Rossella Brenna (Unternehmensberaterin), Marianna Palella (CEO Citrus Italia) sowie Arianna Ruzza (CEO Relazioni Cosmiche) ausgetauscht.

Einig waren sich die Teilnehmerinnen dabei zunächst einmal, dass der Einsatz kein Selbstzweck sei, sondern stets einen Mehrwert bringen müsse - allem voran den, die Wünsche der Konsumenten zu erfüllen - heute ein unerlässlicher Aspekt. Diese fragten mehr denn je nach wissenschaftlichen Fakten zur Unterstützung ihrer Kaufentscheidung. Tools gebe es dafür jede Menge - Panels in den Märkten, scanbare Etiketten bis hin zu tragbaren Scannern im Markt, die auch bei Unverträglichkeiten oder Allergien beraten können. Jetzt komme noch KI hinzu, die für Kunden und den Handel gleichermaßen eine Vielzahl an weiteren Möglichkeiten schaffe - und die, wenn nicht genutzt, “Milliardenverluste” bedeuten könnten, heißt es bei Myfruit. Damit berufen sie sich auf eine Studie von Capgemini, die auszugsweise auf supplychain.it nachzulesen ist. 

Frau beim Einkaufen, die über ihr Handy weitere Infos zur Drachenfrucht herausfindet.

Image: Adobe Firefly - KI-generiertes Bild

300 Mrd US-$ Potenzial beim KI-Einsatz

Dieser Studie zufolge setze der LEH bei Sales und Marketing auf den Einsatz von KI, nicht aber in der kompletten Wertschöpfungskette, so die Erkenntnis. Über 300 Milliarden Dollar warteten auf den Handel, wenn dieser die sich durch KI bietenden Chancen nutze, so Capgemini, doch nur 1 % habe dies bisher erreicht. 400 Handelsunternehmen, welche gemeinsam 23 % des weltweiten Einzelhandels online und offline repräsentieren, hat Capgemini dabei untersucht, darunter auch Tesco oder Alibaba. Einige nutzten KI z.B., um ungenaue Adressdaten vor dem Versand zu verifizieren, andere, um ihre Logistik zu optimieren. 28 % der befragten Unternehmen setzten KI ein, 98 % von ihnen gaben an, durch KI Kundenbeschwerden um bis zu 15 % reduzieren zu können, während 99 % davon ausgingen, mit KI ihre Umsätze um bis zu 15 % steigern zu können, heißt es bei supplychain.it. Natürlich handelt es sich bei den Unternehmen dieser Betrachtung nicht um Kleinstunternehmer aus der Landwirtschaft, sondern auch teils riesige Konzerne aus der Welt des e-Commerce, so dass nicht alle Technologien gleichermaßen sinnvoll und nicht alle Erkenntnisse gleichermaßen übertragbar sind.

KI ja, aber strategisch, transparent und im Dienste des Kunden

Zurück zu Myfruit.it, wo Rosella Brenna den Einsatz von KI im Handel ebenfalls unterstützte. Daten würden bereits seit einer Weile gesammelt, nun gehe es darum, die vorhandenen Daten auch auszuwerten, um Vorhersagen treffen zu können. Für die Konsumenten gebe es inzwischen z.B. Apps, die Lebensmittel passend zu den eigenen Ernährungspräferenzen auswählten und auf Allergien Rücksicht nehmen könnten. Grundsätzlich müsse der Einsatz von Technologien auf strategische Ziele einzahlen, einen Mehrwert bieten statt Selbstzweck zu sein, so Brenna. Arianna Ruzza von Isual sprach über die ethischen Implikationen von Technologie und betonte die Notwendigkeit transparenter Lösungen, auch, wenn es um “Tauschgeschäfte” wie Daten gegen Rabattcoupons gehe.Sie hob auch hervor, dass das Verständnis von Technologie auf höchster Managementebene oft unzureichend ist: “Ein Prozentsatz der Führungskräfte kennt die Technologie nicht gut genug.” Gegen Modernisierung um jeden Preis positionierte sich Marianna Palella. “Innovation muss je nach Anforderung des Marktes erfolgen und sollte nicht zu weit vor dem liegen, was der Markt gerade nachfragt”, befand sie. Die Innovationen in ihrem Unternehmen seien das Ergebnis zweier Generationen, ihrer und der ihrer Mutter, so Palella. Insgesamt wurde festgestellt, dass Technologie im Einzelhandel eine verbesserte Kundeninteraktion ermöglicht, jedoch auch Herausforderungen mit sich bringt. Eine ganzheitliche Betrachtung sei erforderlich, um sicherzustellen, dass Technologie das Einkaufserlebnis tatsächlich verbessert. Der Einsatz digitaler Unterstützung dürfe nicht zu einem Verlust persönlicher Kundenbetreuung im Geschäft führen, waren sich die Teilnehmerinnen einig.