Bereits Charles Darwin beschrieb 1880 in seinem Buch “The Power of Movement in Plants”, wie Pflanzen auf Kraft und Berührung reagieren. Doch erst jetzt beginnen Wissenschaftler, diese unsichtbaren Kräfte zu erfassen. In den kommenden Jahren wollen die Professoren Dolf Weijers und Joris Sprakel das Rätsel lösen, wie Pflanzen Berührung spüren und darauf reagieren, so Wageningen University & Research (WUR).

Kind isst Heidelbeeren

Kind isst Heidelbeeren

Image: Ramona Heim/AdobeStock

Allein auf der Grundlage von Genen und Biochemie können Biologen fast genau vorhersagen, wie eine Zelle oder Pflanze wächst oder sich verhält. Doch oft würden die Dinge einfach nicht zusammen passen. “Das liegt daran, dass Zellen mehr sind als nur eine Ansammlung von Genen und biologischen Substanzen”, sagt Sprakel. “Sie existieren in einer physikalischen Welt mit Nachbarn, die auf sie drücken und an ihnen ziehen.” Wenn man die Kräfte ignoriere, die sie aufeinander ausüben, könne man nicht verstehen, wie Pflanzen funktionieren, meint Sprakel.

Dennoch haben Biologen lange Zeit nicht erforscht, wie solche Zellen die Berührung ihrer Nachbarn und der Außenwelt wahrnehmen und darauf reagieren. “Das liegt daran, dass solche Kräfte abstrakt sind und wir sie in keiner Weise messen konnten”, sagt er. Dolf und Sprakel adaptierten ein von Sprakel selbstgebautes Gerät zu einem Kraftsensor, der auch in lebenden Pflanzenzellen funktioniere.

Dies führte dazu, dass der Doktorand Harnvanichvech über ein Werkzeug verfügte, mit dem er kontrolliert Kraft auf Pflanzenzellen ausüben und diese Kraft messen konnte. Er identifizierte wichtige Proteine (Bausteine) in der Pflanzenzelle, die auf eine solche Kraft reagieren. Ein guter erster Hinweis darauf, dass äußere Kräfte in ein biochemisches Signal umgewandelt werden, das die Zelle verstehe. Um den genauen Mechanismus zu enträtseln, beschlossen Weijers und Sprakel, einen Forschungsantrag zu schreiben. Schnell stand das Hauptthema fest: die Erforschung des Tastsinns bei Pflanzen.

Wegen des interdisziplinären Ansatzes erhalten die Professoren nun 22,8 Mio Euro für ihre Forschung. Weitere Forscher werden sich dem Konsortium anschließen, darunter Pflanzenwissenschaftler aus Wageningen, Utrecht und Nijmegen sowie ein Experimentalphysiker aus Amsterdam, Materialwissenschaftler aus Groningen und Eindhoven und Theoretiker aus Wageningen und Leiden. Für die meisten Forscher des Konsortiums sei die Untersuchung von Berührungen bei Pflanzen ein völlig neues Thema. Dennoch seien sie alle begeistert gewesen, als sie von den Wageninger Wissenschaftlern angesprochen wurden. In den kommenden Jahren wollen  die Forscher herausfinden, wie dies bei verschiedenen Pflanzenarten genau funktioniert und dieses Wissen evtl. nutzen, um Pflanzen zu helfen, eindringende Krankheitserreger besser zu bekämpfen.