In der Debatte zur Lage der Union im Europäischen Parlament in KW 37 kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein „aufgestocktes“ Budget für die Förderung von Agrar- und Lebensmitteln sowie die Einführung eines neuen Brandings „Buy European Food“ für die EU-finanzierte Förderpolitik an.
Während diese Ankündigungen als positive Entwicklungen dargestellt wurden, warnt Freshfel Europe nun, dass sie wichtige Bedenken sowohl hinsichtlich des tatsächlichen Umfangs der Budgeterhöhung als auch hinsichtlich der Auswirkungen der unerwarteten strategischen Umgestaltung der EU-Förderpolitik für Agrarprodukte aufwerfen und wendet sich an Ursula von der Leyen.
Die europäische Förderpolitik sei ein wichtiges Finanzinstrument innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) mit einem Budget von mehr als 180 Mio Euro. Der Obst- und Gemüsesektor sei einer der Hauptnutznießer dieser Politik. Innerhalb dieses Budgets stehe das ursprünglich auf 84,4 Mio Euro festgelegte Multi-Förderbudget, von denen 9 Mio Euro für die Förderung von Obst und Gemüse vorgesehen seien, unter Druck. 2025 wurde das gesamte „Multi”-Budget aufgrund einer Umverteilung der Mittel zur Bewältigung der Folgen des Krieges in der Ukraine ausgesetzt.
In letzter Minute seien schließlich nur 40 Mio Euro bereitgestellt worden – das entspreche einer Kürzung von 53 % gegenüber der ursprünglichen Mittelzuweisung für das Mehrjahresprogramm. Dies stellte das Mehrjahresprogramm vor Planungsprobleme, die eine Zusammenarbeit zwischen den Partnern erfordern. Mit Blick auf die Zukunft bleibe die Lage höchst ungewiss. Der Jahreshaushalt 2026 sei derzeit noch auf null gesetzt, mit der ungewissen Option einer teilweisen Umverteilung in letzter Minute. Dies führe zu großer Instabilität und Unsicherheit für den Sektor.
Philippe Binard, Generaldelegierter von Freshfel Europe, kommentierte: „Wenn der Kommissionspräsident eine ’Aufstockung des Budgets’ verspricht, wird dann tatsächlich der Gesamtförderbetrag von 180 Mio Euro erhöht? Wird nur ein Teil des von der Kommission zuvor gekürzten Mehrjahresbudgets wiederhergestellt oder wird es tatsächlich eine echte Aufstockung der bisher verfügbaren 84,4 Mio Euro geben? Wenn man sich zu einer Aufstockung des Budgets verpflichtet, kommt es darauf an, was dies für die Unternehmen konkret bedeutet. Vorhersehbare und verlässliche Fördermittel sind für den europäischen Obst- und Gemüsesektor unerlässlich, um effektiv planen und in die Förderung von Frischprodukten investieren zu können.”
Das EU-Förderbudget sei seit Jahren ein wesentliches Instrument der GAP für generische und in der Regel markenlose Frischprodukte, die mit knappen Margen arbeiten. Ein gut ausgestattetes Förderbudget sei für den Obst- und Gemüsesektor unverzichtbar.
Die Ankündigung der Umgestaltung des Kampagnenmottos und -logos wecke auch bei Freshfel Europe berechtigte Bedenken. Der Austausch des etablierten Slogans „Enjoy it’s from Europe” durch „Buy European Food” sei eher umstritten. Diese Ankündigung komme von der Europäischen Kommission, ohne dass die Interessengruppen, die das Logo im Rahmen ihrer EU-finanzierten Kampagne verwenden, konsultiert wurden oder eine glaubwürdige Folgenabschätzung durchgeführt wurde. Diese Vorgehensweise der Kommission verstoße gegen die Grundsätze der guten Regierungsführung und untergrabe das Vertrauen in die Politikgestaltung.
Philippe Binard erklärte: ”Der derzeitige Slogan wird seit über einem Jahrzehnt verwendet und ist weithin als vertrauenswürdiges Markenzeichen des EU-finanzierten Förderprogramms anerkannt. Das Logo ’Enjoy its from Europe’ ist ein offenes Logo, das sowohl für landwirtschaftliche Erzeugnisse als auch für Lebensmittel geeignet ist. Die Beschränkung auf ’Lebensmittel’ untergräbt die Rolle der Landwirtschaft vollständig. Landwirtschaftliche Erzeugnisse werden auf eine untergeordnete Position herabgestuft, obwohl sie im Mittelpunkt der EU-Fördermaßnahmen aus dem GAP-Haushalt der EU bleiben sollten. Ohne Landwirtschaft gibt es keine Lebensmittel.“
Die Umleitung der ohnehin begrenzten Mittel der Politik in Richtung der bereits gut etablierten Lebensmittelindustrie mit hohen Margen sei keine sinnvolle strategische Maßnahme der EU. Dadurch bleiben grundlegende, natürliche, unverarbeitete, gesunde und nachhaltige Produkte wie frisches Obst und Gemüse mit geringeren Margen für ihre Marketingaktivitäten unterfinanziert.
Das Konzept „Kauft europäische Lebensmittel“ könnte weitere Fragen hinsichtlich der Integrität der Botschaft und ihrer Begünstigten aufwerfen. Jedes Stück frisches Obst und Gemüse trägt eine eindeutige Identität – seine Herkunft durch die obligatorische EU-Kennzeichnungspflicht. Diese Debatte über den „Kauf europäischer Lebensmittel“ ist für Freshfel Europe eine Gelegenheit, daran zu erinnern, dass die Förderpolitik nur für Lebensmittel zugänglich sein sollte, die zu 100 % aus EU-Zutaten bestehen. Auf diese Weise komme sie insgesamt den Landwirten und Erzeugern in der EU zugute.
Viele (ultra-)verarbeitete Lebensmittel enthalten einen hohen Anteil an Zutaten, die nicht aus der Europäischen Union stammen und die in ultraverarbeiteter Form indirekt von EU-Mitteln profitieren könnten. Freshfel Europe fordert die Europäische Kommission auf, Transparenz über die tatsächliche Aufstockung des Budgets zu schaffen und klare Zahlen und Prognosen vorzulegen. Ein solides Budget für Obst und Gemüse würde im Einklang mit dem Ziel der Europäischen Kommission stehen, eine gesündere und nachhaltigere Ernährung zu fördern. Freshfel Europe fordert die Kommission außerdem auf, die langfristige Effizienz ihrer Politik durch die Beibehaltung der Kontinuität ihrer etablierten Marken „Enjoy its from Europe” sicherzustellen.