Rund 150 Teilnehmende, über 60 Referenten, zwei Tage voller Austausch, Impulse und Ideen – das 12. Bundestreffen der Regionalbewegung in Schneverdingen in der Lüneburger Heide hat erneut deutlich gemacht: Regionalität ist keine Nische, sondern eine notwendige Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.
Diskutiert wurde intensiv, wie eine dezentrale Land- und Ernährungswirtschaft, lokale Märkte und regionale Wertschöpfungsketten in Zeiten von Klimakrise, geopolitischer Instabilität und zunehmender sozialer Spaltung als stabilisierendes Fundament wirken können, so der Bundesverband der Regionalbewegung e.V.
„Der Regionalgedanke ist die Sicherheitsarchitektur der Globalisierung“, weiß Heiner Sindel, 1. Vorsitzender des Bundesverbandes der Regionalbewegung e.V. und ergänzt: „Regionale Nahversorgungsstrukturen übernehmen neben ökonomischen und ökologischen auch unschätzbar wichtige gesamtgesellschaftlich-soziale Funktionen, sind damit Fundament unserer Demokratie.”
Rückläufige regionale Strukturen
Doch die Zahlen zu regionalen Nahversorgungsstrukturen seien alarmierend: Zwischen 1998 und 2024 haben bundesweit rund 58 % der Handwerksbäckereien und 46 % der Fleischereien ihren Betrieb aufgegeben. Im selben Zeitraum hat sich die Anzahl kleinstrukturierter landwirtschaftlicher Betriebe (bis 50 ha) um 70 % reduziert. Besonders dramatisch sei die Lage im Lebensmittelhandwerk, der Gastronomie und der regionalen Direktvermarktung. Diese Entwicklung schwäche nicht nur die wirtschaftliche Substanz der ländlichen Räume, sondern gefährde zunehmend die Versorgungssicherheit, Vielfalt und Demokratie in Stadt und Land.
„Wir müssen es schaffen, dass wir regionale Strukturen erhalten – sonst haben wir in Zukunft kein Vermarktungsproblem für regionale Produkte, sondern ein extremes Verfügbarkeitsproblem. Wir alle müssen dieses Dilemma der wegbrechenden Strukturen gemeinsam angehen, egal ob bio oder konventionell, groß oder klein”, mahnte Nicole Nefzger, Geschäftsführerin der Regionalbewegung.
Brücken bauen
Der Bundesverband der Regionalbewegung e.V. sieht sich hier als Brückenbauer – über vermeintliche Gegensätze hinweg: zwischen konventionell und ökologisch, regenerativ und solidarisch wirtschaftenden Akteuren. Denn nur durch Kooperation statt Spaltung, durch Nähe statt Anonymität kann Regionalität ihre volle gesellschaftliche Wirkung entfalten.
Auch der neue Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat, Alois Rainer, unterstrich in seinem Grußwort die politische Relevanz regionaler Vielfalt: „Unsere ländlichen Regionen sind für viele Menschen Heimat. Politik muss ihren Teil dazu beitragen, damit diese Heimat lebendig bleibt und den Menschen eine Perspektive bietet. Dafür brauchen wir regionale Kreisläufe und enge Zusammenarbeit mit Gemeinden und Landkreisen.“
Fazit: Regionale Strukturen gehen uns alle an
Mehr Regionalität kann zur Resilienz von Regionen beitragen. Diese Resilienz gehe weit über Versorgungssicherheit und den Schutz von Lieferketten hinaus. Mutige Entscheidung für mehr Regionalisierung stärke regionale Wertschöpfungsketten, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), gleichwertige Lebensverhältnisse, demokratische Teilhabe und klimagerechte Versorgung – lokal, dezentral und zukunftsorientiert. Regionalität schaffe Vertrauen und Transparenz. Sie kann helfen, die Land- und Ernährungswirtschaft aus einer Krise zu führen, das Lebensmittelhandwerk zu (re)vitalisieren und Stadt-Land-Beziehungen zu stabilisieren. Nicht zuletzt leiste sie einen spürbaren Beitrag zu Biodiversität und Klimaschutz.
Es brauche deshalb Politik und Gesellschaft gleichermaßen: Mehr Mut zur Regionalität, mehr interministerielle, ressortübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit im Thema Regionalisierung der Land- und Ernährungswirtschaft sowie eine strukturelle Förderung für Nahversorger, Initiativen und kleine Erzeuger – und eine klare Vision für ein resilientes Deutschland mit starken Regionen.