Deutschlands Fähigkeit, sich mit ausreichend Nahrungsmitteln aus heimischem Anbau zu versorgen, gerät immer weiter unter Druck. Während der fortschreitende Klimawandel immer häufiger schlechte Erntejahre erwarten lässt, sinkt die Selbstversorgungsfähigkeit aber auch durch den Verlust wirksamer Pflanzenschutzmittel, mit denen Landwirte ihre Ernte vor Unkraut und Schaderregern schützen.
Die ohnehin schon ausgeprägte Importabhängigkeit bei Obst und Gemüse dürfte sich noch verstärken.
Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie der HFFA Research GmbH im Auftrag des Industrieverbands Agrar e.V. (IVA). Szenario-Rechnungen machen deutlich, dass sowohl Ernteausfälle durch klimatische Veränderungen als auch regulatorische Hürden bei der Genehmigung von Wirksoffen und der Zulassung wirksamer Pflanzenschutzmittel die Fähigkeit zur Selbstversorgung mit Lebensmitteln stark beeinträchtigen könnten.
„Wir werden auch morgen noch genug zu essen haben, weil wir wohlhabend genug sind, Lebensmittel zu importieren. Es gibt aber viele gute Gründe, mit Innovationen die Produktion von Nahrungsmitteln im eigenen Land zu stärken“, kommentiert IVA-Hauptgeschäftsführer Frank Gemmer: „Die Landwirtschaft braucht dringend eine breite Palette an wirksamen Pflanzenschutzmitteln, um ihre Ernten zu schützen. Sonst droht der Selbstversorgungsgrad, besonders bei Obst und Gemüse, immer weiter abzusinken.“
Schon heute sei Deutschland nicht in der Lage, sich ausreichend selbst zu versorgen: Der durchschnittliche Selbstversorgungsgrad (SVG) liege bei rund 83 % – das heißt, etwa jedes sechste konsumierte landwirtschaftliche Produkt wird importiert. Der SVG der verschiedenen Anbaukulturen unterscheide sich dabei erheblich. Besonders bei Obst, Gemüse und Ölsaaten, wo die Eigenproduktion nur 20 % bis 37 % des Bedarfs decke, sei Deutschland auf Importe angewiesen. Bereits heute wird jeder zweite Apfel importiert. Anders bei Kartoffeln, Getreide oder Zuckerrüben oder dem für die Bier-Produktion unerlässlichen Hopfen: Hier produziere Deutschland noch ausreichend, um den Bedarf auch anderer Länder in Teilen zu decken.
Die Analyse zeige allerdings, dass klimatische Einflüsse wie Dürre, Extremwetter oder erhöhter Schädlingsdruck erhebliche Ertragseinbußen nach sich ziehen könnten. In einzelnen Jahren wären Produktionsrückgänge von durchschnittlich 20 % zu befürchten, bei Obst sogar bis zu 46 %. Auch regulatorische Eingriffe beim Pflanzenschutz bergen erhebliche Risiken: Der mögliche Wegfall bestimmter Pflanzenschutz-Wirkstoffe – etwa durch strengere EU-Regeln oder das Ende von Notfallzulassungen – könnte die Erträge von zentralen Kulturen wie Weizen, Kartoffeln oder Zwiebeln um 10 % bis 20 % verringern.
Die Studie verdeutliche, dass die Ernährungssouveränität Deutschlands eng mit der Verfügbarkeit einer breiten Palette von Pflanzenschutz-Wirkstoffen verknüpft sei. Ein signifikanter Wirkstoffverlust würde die Importabhängigkeit verschärfen und die Versorgungssicherheit gefährden. Besonders in Kombination mit klimabedingten Risiken drohe eine erhebliche Schwächung der Nahrungsmittelsouveränität. Die Studie empfiehlt, Innovationen im Pflanzenbau gezielt zu fördern, regulatorische Entscheidungen stärker im Spannungsfeld von Ökologie und Versorgungssicherheit zu bewerten und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft langfristig abzusichern.