Seit drei Jahren verfolgt die Doktorandin Sophie van Lange ein klares Ziel: die Herstellung von Kunststoffen, die sowohl hart als auch nachhaltig sind. Die Kunststoffe, die wir heute verwenden, sind entweder recycelbar oder stark und hart - nicht beides, so Wageningen University & Research (WUR).

Van Lange wandte sich von den traditionellen chemischen Verfahren zur Herstellung von Kunststoffen ab und entwickelte eine völlig neue Methode, um haltbaren und wiederverwendbaren Kunststoff auf völlig neue Weise herzustellen. Der Trick dabei? Physikalische Kräfte.

Der Prozess beginne mit einem gelben Pulver in einer Schale und einem weißen Pulver in einer anderen. Indem sie diese beiden Lösungen auflöse und kombiniere und sie in einer Heißpresse Hitze und Druck aussetze, verwandele Van Lange diese Substanzen innerhalb von zwei Wochen in ein rechteckiges Stück Kunststoff, das zweimal einen halben Zentimeter groß sei. Unter normalen Bedingungen sei der so entstandene Kunststoff fest und hart, wird aber bei Erwärmung formbar. Sie bezeichne diese neuartigen Kunststoffe als “Compleximere”.

“Man kann alte Gegenstände zu einem Recyclinghof bringen, aber kaum jemand weiß genau, was danach mit ihnen geschieht. Wie toll wäre es, wenn wir alle Kunststoffe nachhaltig verarbeiten könnten”, sagt die junge Forscherin. “Auf molekularer Ebene bestehen Kunststoffe aus langen Ketten.” In herkömmlichen harten Kunststoffen seien diese Ketten durch chemische Vernetzungen miteinander verbunden, um die Festigkeit zu erhöhen. Diese Vernetzungen seien jedoch so stabil, dass ein Recycling nahezu unmöglich sei. Aus diesem Grund habe Van Lange diese Kunststoffe ohne chemische Vernetzungen neu entwickelt, diesmal unter Verwendung einstellbarer physikalischer Kräfte.

Sophie van Lange - Neuer Kunststoff

Sophie van Lange - Neuer Kunststoff

Image: Wageningen University & Research

“Die Hälfte der Ketten, aus denen unser Kunststoff besteht, ist positiv geladen”, erklärt Van Lange. “Die andere Hälfte ist negativ geladen.” Wenn man sie in der richtigen Weise miteinander in Kontakt bringe, ziehen sie sich gegenseitig an, wie zwei Magnete. Dies halte die Ketten zusammen, ohne dass chemische Vernetzungen erforderlich seien. Bei Erwärmung lasse die Anziehungskraft zwischen den Teilen nach, sodass sich das gesamte Material neu formen könne. “So kann der Kunststoff wiederverwendet oder beispielsweise ein Loch oder eine andere Beschädigung im Kunststoff mit Wärme repariert werden”, sagt Van Lange.

Bislang habe die Doktorandin etwa drei Gramm des neuen Kunststoffs hergestellt. “Es hat eine Weile gedauert, bis meine Kollegen und ich tatsächlich den gewünschten Kunststoff hatten”, sagt sie. Der Grund dafür sei die Anziehung: In der Natur ziehen sich positive und negative Teilchen stark an. Dadurch werden die Materialien spröde und lassen sich beim Erhitzen kaum verformen. “Die Innovation liegt darin, diese Ladung ausreichend abzuschwächen”, sagt Van Lange. Dies gelang ihr mit einer Art “molekularer Regenschirme”, die die positiven und negativen Ladungen im Kunststoff teilweise abschirmen. “So haben wir die perfekte Anziehungskraft und damit einen Kunststoff erreicht, der sich bei Erwärmung leicht verformen lässt”, sagt die Doktorandin. Außerdem seien diese Schirme wasserabweisend, sodass der Kunststoff auch bei Wassereinwirkung robust bleibe. “Geladene Materialien reagieren fast immer empfindlich auf Wasser, daher ist es etwas ganz Besonderes, dies zu erreichen”, fügt Van Lange hinzu.

Der neue Kunststoff sei noch nicht ganz fertig. Zum Beispiel sei das Material noch nicht flexibel genug, so Van Lange: “Wir haben gezeigt, dass das Konzept funktioniert, aber jetzt müssen wir einen Weg finden, ihm gummiähnlichere Eigenschaften zu verleihen.” Der Forscher hoffe, dies durch eine Verringerung der Ladung in den Kompleximeren zu erreichen, vielleicht durch eine Anpassung der Bausteine der Ketten, aus denen der Kunststoff besteht. “Eine Alternative könnte darin bestehen, die molekularen ‘Regenschirme’ zu vergrößern”, sagt Van Lange. Sie erwäge auch, die Art der Ketten zu verändern. “Wir verwenden derzeit Polystyrol, ein steifes Molekül”, erklärt die Doktorandin. “Wenn wir es durch eine flexiblere Variante ersetzen, könnten wir bereits einen biegsameren Kunststoff erhalten.”