Themen wie regionale Erzeugung und Ernährungssicherung sollten stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt werden. Das ist beim Nachtcafé im Freiburger Haus der Bauern deutlich geworden, das am 28. November unter dem Titel „Wie wird sich Südbaden (in Zukunft) ernähren?“ stand.

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Image: Stefan Körber/AdobeStock

Sich mit Fragen der Ernährungssicherung zu beschäftigen und sich durchaus auch mit Lebensmitteln zu bevorraten, ist für Richard Riester von der baden-württembergischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum (LEL) keine Schwarzmalerei, sondern eine Konsequenz der teils niedrigen Selbstversorgungsgrade (SVG) in Baden-Württemberg. Riester zufolge betrug der SVG im Jahr 2022 etwa bei Obst 31 %, bei Kartoffeln 33 % und bei Gemüse 21 %. Bei tierischen Produkten kam Baden-Württemberg im gleichen Jahr dem Marktexperten zufolge bei Rindfleisch auf einen SVG von 58 %, bei Milch von 50 %, bei Schweinefleisch von 51 %, bei Eiern von 30 % und bei Geflügelfleisch von 20 %. Quer über alle Produkte lag der SVG in Baden-Württemberg bei von Riester grob geschätzten 60 % bis 70 %. Im Hinblick auf den niedrigen Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch gab Riester zu bedenken, dass sich Baden-Württemberg bei der Zahl der Zuchtsauen inzwischen wieder auf dem niedrigen Niveau von 1950 befinde. Vor diesem Hintergrund warnte der LEL-Fachmann vor erheblichen Versorgungsrisiken bei Lebensmitteln, verstärkt durch Abhängigkeiten der Ernährungswirtschaft bei Strom, in der Logistik und in den globalen Wertschöpfungsketten. Hinzu kämen Risiken durch kriegerische Auseinandersetzungen sowie Sabotage. Riester wies darauf hin, dass politische Weichenstellungen immer auch Auswirkungen auf die Ernährungsversorgung vor Ort haben. So stünden dem Verbot der Anbindehaltung Betriebsaufgaben gegenüber, die sich regional bereits auf die Versorgung auswirkten. Auch das 30 %-Ziel im Ökolandbau habe Folgen für das regional verfügbare Angebot, da die Erträge um ein Drittel kleiner ausfielen als im konventionellen Anbau. Auch der Ausbau von Freiflächen-PV und Flächenverluste an die Schweiz seien kontraproduktiv für die Versorgung mit regional erzeugten Lebensmitteln.

Auf regionale Großmärkte setzen

Prof. Arnim Wiek von der Humboldt-Professur für Nachhaltige Ernährungswirtschaft an der Universität Freiburg verwies auf eine auch im Südwesten Deutschlands zu beobachtende Marktkonzentration in der Ernährungswirtschaft und eine dadurch zunehmende Abhängigkeit von Konzernen und Großbetrieben. Gleichzeitig sei die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für regional erzeugte Produkte im Laden begrenzt. Um die Bevölkerung vor diesem Hintergrund verlässlich mit gesunden, regional erzeugten Produkten versorgen zu können, müsse die dahinter stehende Wertschöpfungskette auf einer finanziell soliden Basis stehen. Voraussetzung dafür sei auch Rückendeckung durch die Politik. Ein probates Mittel gegen Konzentrationstendenzen in der Ernährungswirtschaft sind Wiek zufolge regionale Großmärkte und Erzeugergemeinschaften. „Regionale Frische-Großmärkte leisten wesentliche Beiträge zur regionalen Versorgung“, betonte der Nachhaltigkeitswissenschaftler. Wiek räumte aber auch ein, dass viele dieser Einrichtungen aktuell um ihre Existenz kämpfen. Knackpunkte seien oft der Standort, die Infrastruktur und zu hohe Betriebskosten.

Der Kunde ist König Ministerialdirektorin Isabel Kling vom Stuttgarter Agrarressort erinnerte beim Nachtcafé in Freiburg daran, dass die Politik die Rahmenbedingungen setzt. Die Kaufentscheidung treffe aber der Verbraucher beim Einkauf. Gleiches gelte etwa für die vegetarische Ernährung. „Das ist eine persönliche Entscheidung“, sagte Kling. Ziel sei, dass sich der Verbraucher im Supermarkt für regionale Produkte entscheide. Gleichzeitig soll der Anteil regionaler Produkte in Kantinen bis 2030 auf 75 % ausgeweitet werden. In Kitas und Schulen solle der Fokus ebenfalls auf regionale Waren gelegt werden. Über die Kinder solle das Wissen über Ernährung und Landwirtschaft in die Familien getragen werden. Dass letztlich der Kunde mit seiner Kaufentscheidung vorgibt, was der LEH in die Regale stellt, bestätigte der Geschäftsführer von Edeka Südwest, Jürgen Mäder. Im Südwesten seien unter dem Edeka-Label „Unsere Heimat“ 400 Produkte gelistet, die 5 % des Umsatzes ausmachten. Aktuell würden jedoch von den Edeka-Kunden am stärksten Produkte nachgefragt, die preislich im Einstiegsbereich lägen. Biogroßhändler Harald Rinklin hat ebenfalls eine Änderung im Kaufverhalten ausgemacht: Auch bei Ökoerzeugnissen orientiere sich der Kunde preislich zum Einstiegssegment. AgE