Auch wenn die globale Luftfrachttonnage seit zwei Jahren erstmals wieder leicht wächst, bleibt die wirtschaftliche Lage der deutschen Luftfrachtspeditionen weiterhin angespannt.

Internationale Krisen wie der russische Angriff auf die Ukraine und die erneut unsichere Lage in Nahost sowie die anhaltend schwache Konjunktur bremsen den Mengenauftrieb und verfestigen das niedrige Erlösniveau, teilt der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) mit. Die negativen wirtschaftlichen Folgen der gesunkenen Transportnachfrage bei Industrie und Handel sowie des weltweiten Konsumrückgangs dürfen nicht durch Wettbewerbsnachteile des Luftfrachtstandorts Deutschland verstärkt werden, lautet ein Fazit der 8. Luftfrachttagung des DSLV am Airport Frankfurt/Main.

Das über deutsche Flughäfen mehrheitlich von Speditionen abgewickelte Luftfrachtaufkommen liegt mit 3,47 t in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 8,3 % unter den Vorjahreswerten und damit 2,5 % unter dem Vor-Covid-Niveau im Jahr 2019. In dieser angespannten Marktlage darf Politik die Wettbewerbssituation der deutschen Luftfrachtlogistik nicht zusätzlich durch einseitige gesetzliche Rahmenbedingungen schwächen.

„Wenn das Luftfahrt-Bundesamt die Brüsseler Luftfrachtsicherheitsregeln für Deutschland strenger auslegt als die Sicherheitsbehörden in anderen EU-Mitgliedstaaten, dann leidet die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Speditionshäuser im europäischen Vergleich. Luftfracht-Tonnage wandert schließlich an ausländische Flughäfen ab“, warnt Timo Stroh, Vorsitzender des DSLV-Luftfrachtausschusses und Mitglied im Erweiterten Präsidium des DSLV. Fracht-Kontrollverfahren wie das Remote Explosives Scent Tracing (REST) sind an europäischen Hub-Flughäfen in Frankreich und in den Niederlanden im Einklang mit EU-Recht Standard; in Deutschland ist das Verfahren weiterhin nicht zugelassen. Paradoxerweise wird ein im EU-Ausland erteilter Sicherheitsstatus – unabhängig davon, wo und mit welchem Sicherheitsverfahren dieser erworben wurde – für eine Exportfracht von deutschen Behörden grundsätzlich anerkannt. Stroh fordert: „Der Gesetzgeber muss zügig evaluieren, inwieweit die Anwendungsbedingungen in Deutschland anzupassen sind“.

Standortnachteile ergeben sich in der Luftfracht auch aus dem nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Als unmittelbar betroffene Unternehmen müssen sich deutsche Speditionshäuser mit mehr als 3.000 Beschäftigten nach eigenem Ermessen bemühen, dass in der gesamten Luftfrachtlieferkette keine Menschenrechte und Umweltpflichten verletzt werden. Für den Aufbau eines angemessenen Risikomanagements müssen ab 1. Januar 2024 auch Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten hierfür finanzielle und personelle Ressourcen aufbauen. Die Zahl der mittelbar betroffenen Unternehmen ist heute bereits sehr groß. Viele mittelständische Luftfrachtspeditionen – und damit vom Anwendungsbereich des LkSG gar nicht erfasste Unternehmen – werden ihrerseits oftmals pauschal von ihren Auftraggebern aufgefordert, umfassende Fragebögen auszufüllen und Supplier Codes of Conduct zu zeichnen. Um ihre LkSG-Bemühenspflichten einzuhalten, handeln viele Luftfrachtkunden aus Industrie und Handel over-compliant, indem sie ihre Logistikdienstleister mit überbordenden vertraglichen Informationspflichten und Auditrechten zur Unterstützung auffordern. „Selbstverständlich tragen die Speditionshäuser aktiv zur Einhaltung der mit dem LkSG bestimmten Schutzziele bei. Aber mit einer weiteren Dokumentationsflut schützt man weder Menschenrechte noch die Umwelt“, kritisiert Stroh. „Deutschland ist erneut vorgeprescht. Anstatt Bürokratie abzubauen, wurde Bürokratie aufgebläht. Für ein einheitliches europäisches Ambitionsniveau wäre es sinnvoller gewesen zu warten, bis die EU einheitliches Recht erlässt. Ein weiterer Nachteil für den Logistik- und Luftfrachtstandort Deutschland.“