Derzeit suchen Regierungen weltweit neue Ansätze, um den Nutzen und Wert von Ökosystemen angemessen zu bewerten. Dies soll helfen, so die Universität Hamburg, die Konsequenzen von Naturzerstörung in politischen Entscheidungsprozessen sichtbarer zu machen.

Ursprünglich im Auftrag der britischen Regierung hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Moritz Drupp von der Universität Hamburg nun einen neuen Berechnungsansatz vorgeschlagen.

Prof. Dr. Moritz Drupp

Moritz Drupp

Image: UHH/R.Hansen

Prof. Dr. Moritz Drupp forscht im Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS an der Universität Hamburg.

Weltweit gehen Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräume teils in schwindelerregendem Tempo verloren – und mit ihnen die „Dienstleistungen“, die sie erbringen. Zu diesen Dienstleistungen gehören das Filtern von Luft und Wasser, das Bestäuben von Nutzpflanzen, der Erholungswert für Menschen oder der Existenzwert von Lebewesen. Um diese Ökosystemdienstleistungen in Kosten-Nutzen-Analysen besser abbilden zu können, rechnen Staaten die Dienstleistungen der Natur zum Teil in Geldwerte um. Dass die Werte von Biodiversität in Planungsprozesse integriert werden müssen, hat die Staatengemeinschaft bereits im Jahr 2010 auf der 10. Weltbiodiversitätskonferenz in Japan beschlossen. 

„Doch die vorhandenen Methoden zur Berechnung der Werte von Ökosystemdienstleistungen greifen zu kurz“, sagt Prof. Dr. Moritz Drupp, Professor für Nachhaltigkeitsökonomik an der Universität Hamburg. Denn in bisherigen Rechenmethoden wird lediglich der heutige finanzielle Gegenwert von Ökosystemdienstleistungen einbezogen. Tatsächlich aber steigt die Wertschätzung für Natur mit der Zeit. „Unsere Studie stellt Regierungen eine Formel zur Verfügung, mit denen die zukünftigen Werte von knappen Ökosystemdienstleitungen abgeschätzt und in Entscheidungen berücksichtigt werden können“, so Drupp.

Zwei Faktoren bestimmen diese Wertanpassung maßgeblich. Zum einen wird das Einkommen und mit ihm der Wohlstand der Weltbevölkerung steigen: schätzungsweise um jährlich zwei Prozent. Mit steigendem Wohlstand sind Menschen bereit, mehr Geld in den Erhalt der Natur zu investieren. „Zum anderen werden die Dienstleistungen von Ökosystemen wertvoller, je seltener sie werden“, so Drupp. „Dass knappe Güter teurer werden, ist ein fundamentales Prinzip in den Wirtschaftswissenschaften – und es greift auch hier. Denn angesichts der derzeitigen Entwicklung müssen wir leider damit rechnen, dass der Verlust von Biodiversität weiter voranschreiten wird.“

Werden diese Faktoren berücksichtigt, muss der Wert von Ökosystemdienstleistungen in heutigen Kosten-Nutzen-Analysen sehr viel höher angesetzt werden; nach der neu entwickelten Formel allein um mehr als 130 %, wenn lediglich das steigende Einkommen über die kommenden 100 Jahre berücksichtig wird. Die Wertanpassung für schrumpfende Ökosysteme fällt nochmals höher aus. 

Politische Entscheidungen können die Entwicklung der Biodiversität positiv oder negativ beeinflussen. Wichtig ist, dass Regierungen die Konsequenzen ihrer Beschlüsse angemessen einschätzen können. Dabei soll die neue Methode helfen. Entwickelt hat sie der Ökonom Moritz Drupp gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und den USA. Das Team berät unter anderem das britische Finanzministerium, das Weiße Haus in den USA und das Umweltbundesamt in Deutschland.

Der Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS untersucht die Grundlagen des Klimawandels sowohl auf naturwissenschaftlicher Basis als auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung und prüft, welche künftigen Entwicklungen („Klimazukünfte“) nicht nur möglich, sondern auch plausibel sind. CLICCS leitet aus seiner Grundlagenforschung immer wieder auch Handlungsempfehlungen für die Politik ab.